Hinter der Burg
Nach der Führung ins Bergwerk wollten wir unbedingt noch die Burg besichtigen. Wir hatten ausserhalb der Stadt in einem Park an einem kleinen See genächtigt, es war eine warme Nacht gewesen. Der ehemalige Minenarbeiter erklärte uns in breitem Westfälisch, wo die Burg zu finden war. Der Komplex war riesig, aber grösstenteils verfallen. Es türmten sich gigantische, moosüberwachsene Quader, dazwischen schlängelten sich ausgetretene Pfade im Gras.
Hinter dem Burgareal erstreckte sich die Innenstadt. Was einst ein reiches Viertel gewesen sein musste, war nun heruntergekommen, in den dunklen Gassen strichen düstere Gestalten herum, die einem teils Drogen anboten, oder mit verzerrtem Gesicht und einer Spritze in der Hand verängstigte Passanten um einige wenige Euro erpressten - wenn man sie denn ernstnahm. Wir zogen zunächst unbeirrt durch eine der dunklen Gassen, dann aber wurden die Gestalten zunehmend aggressiver, betatschten uns, zahnlose Mäuler reckten sich uns entgegen, es war einfach nur grauenhaft. So waren wir froh, als sich plötzlich ein Kellereingang öffnete und uns eine adrett gekleidete Dame, die Vertrauen zu erwecken schien, winkte und uns Rettung vor dem Pöbel suggerierte.
Nach dem ersten Verschnaufen erreichte uns das Erstaunen: Der nach unten führende Gang war mit einer edlen, schwarzgoldenen Tapete ausgekleidet, es ertönte Musik, wir befanden uns offensichtlich in einem Club. Unzählige gut gekleidete Gäste strichen um uns herum, lachten, genossen Drinks und bunte Süssigkeiten, die auf den im ganzen Raum verteilten Stehtischen angeboten waren.
Nach einigem belanglosen Geplänkel mit unserer Retterin wurde die Unterhaltung etwas familiärer, man fragte interessiert nach unserer Herkunft, und zeigte uns proaktiv, was der Club so zu bieten hatte, inklusiv Prospekte von Wohnungen, Strandferien, Vehikeln... Offensichtlich alles sehr günstig, die schliessliche Frage nach dem Woher, Warum und Wie der Finanzierung blieb uns zunächst unklar, bis wir an einer Theke im hinteren Teil des Raumes angelangt waren.
Unsere nette Begleitung erklärte uns, dass jeder einen kleinen Mitgliederbeitrag entrichte, und sich mit einem Fingerabdruck registrieren lassen müsse. "Wir haben hier ein sehr modernes System", sagte sie, und deutete auf ein kleines schwarzes Gerät mit einem kleinen Glasfenster und einem Griff, der entfernt einem Pistolengriff ähnelte. Anstatt am Abzug lag ihr Finger auf einem kleinen roten Knopf, während Sie uns das Gerät fröhlich lächelnd entgegenhielt. Auf dem Display flimmerte eine geringe Summe, darunter ein kleiner scrollender Werbezug mit der Firmeninschrift.
Was dann geschah, ist der Grund dafür, dass ich mich bis heute nicht an den Firmennamen erinnern kann. Es hatte System.
Als ich meinen Finger auf das gläserne Auge hielt, ging alles blitzschnell:
es wurde schmerzhaft heiss, mein Finger leuchtete rot auf, und ich zog ihn reflexartig weg. Gerade noch nahm ich wahr, dass die Glasscheibe beiseite geschwenkt sein muss, und durch eine metallene Fläche mit der Struktur eines Mikrochips ersetzt worden war. Dann umfasste mich Dunkel, ich nahm nur noch blecherne Wortfetzen war. Unsäglicher Kopfschmerz verbreitete sich, nach wenigen Sekunden verliess mich das Bewusstsein.
Ich blickte in die Augen eines ausdruckslosen Gesichts, als ich wieder zu mir kam. Meine Sinne schienen eingeschränkt zu funktionieren, mein Sichtfeld glich dem eines Pferdes mit Scheuklappen. Der Mann sagte: Du musst nun in deine Wohnung.
Ich begriff, dass ich ihm gehorchen musste. Dass er für mich sorgte und mir Gutes tat, denn er war mein Freund. Ich folgte ihm, entlang einer Wand aus wabernden Vorhängen. Dann gebar mein Gehirn nur noch surreale Fetzen einer Sinnesreise, die Vorhänge wichen blutig getränkten Verbänden, ich schien, durch ein Loch in einer Wand aus Müll zu kriechen. Aus der Wand des Lochs ragten Spritzen und andere medizinische Gerätschaften, sie standen allerdings nach innen, so dass ich ohne Verletzung durch das Loch rutschte. Jegliche Versuche, sich rückwärts zu bewegen, wurden allerdings mit stechenden Schmerzen bestraft. Schliesslich gab mich der gigantische Darm aus Krankenhausabfällen frei. Ich konnte in dem sich vor mir öffnenden Raum gerade sitzen, vor mir ein mit Gitterstäben versehenes Fenster, das den Blick nach draussen freigab, und etwas Licht hereinliess.
Ich hatte keinerlei Erinnerung an irgendwelche Details, oder irgend eine Erklärung dafür, was meine momentane Situation betraf. Ich war auch kaum in der Lage nachzudenken, etwas hemmte meine Denkfähigkeit. Ich erinnerte mich nur noch an Kafkas Käfer, ein Gedanke, an dem ich mich derart festklammerte, dass ich schliesslich davon überzeugt war, ein Käfer zu sein, und mich auch so zu fühlen.
Die Zeit, die in diesem Verlies verstrich, konnte ich nicht messen. Ich habe keinerlei Erinnerung daran, wie ich ernährt wurde, verstand die Vorkommnisse des 'Draussen', das ich durch mein kleines Fenster wahrnehmen konnte, nicht, nur, dass sie sich im Laufe der Zeit änderte. Es hätten Jahre gewesen sein können.
Durch mein kleines Portal zur Aussenwelt zeigte sich mir fortwährend ein Ampelsystem. Automatisierte Fahrzeuge glitten auf vielen Ebenen, teils am Boden, teils an Drähten in der Luft voran, hielten sirrend an, entliessen Läufer. Die Läufer schienen mir insektoide Roboter zu sein, mit facettenartigen Sensoren, langen Gliedmassen. Ob diese Wahrnehmung durch mein geglaubtes Dasein als Käfer bedingt war? Ich weiss es nicht.
Nur, dass ich mich irgendwann freute, ein menschliches Gesicht zu erkennen.
Es waren vier oder fünf Frauen. Sie tauchten vor meinem Fenster auf, als sich das Design des Ampelsystems längst verändert hatte, auch die Läufer waren weniger geworden, wichen menschlichen Wesen.
Sie hätten hübsche Gesichter gehabt, wenn selbige nicht durch unzählige, grosse rötlich-klumpige Pickel verunstaltet gewesen wären. Durch meine vernebelten Sinne war ich gerade noch in der Lage, einfache Fragen zu verstehen, jedoch nicht zu antworten. Ich verstand, dass sie, aufgrund einer eigentlichen Krankheit, die eine gewisse Immunität gegenüber einem (mir unverständlichen) gewissen Sachverhalt bedingte, meine Situation wahrnehmen konnten. Ich begriff, dass dies die Einleitung zu einer Befreiungsaktion war.
So gab mich schliesslich der - vermutlich vor allem mentale - Kerker frei. Der Chip wurde mir entfernt, ich litt unter gelegentlicher Amnesie, jedoch kehrten nach und nach alle Erinnerungen zurück. Bei den nachfolgenden Untersuchungen war ich jedoch nicht sehr hilfreich, ich taugte weder als Zeuge, noch als Ankläger - nicht einmal einen Angeklagten hätte es geben können, der Ort, wie auch der Name des Clubs oder der Firma blieb in einem Erinnerungs-Tresor verrammelt.
Bis zu dem Tag, als es mir jäh im Kopf aufflammte: Die Burg. Die dunkle Gasse. Der Hauseingang. Die Burg war der eigentliche Schlüssel!
Ich informierte den Trupp. Irgendwo in den oberen Reihen der Leitung meiner Befreiungsgruppe wurde ein geheimer Plan ausgearbeitet. Ich durfte davon offensichtlich nichts wissen, da unbekannt war, inwieweit ich zuverlässig 'funktionieren' würde. Da kein Name, kein gar nichts bisher bekannt war, wusste man nicht, mit wem man es zu tun hatte.
Man stellte mir also nur eine Begleitung zur Verfügung. Wir starteten bei der Burg, die inzwischen weiter verfallen war, und arbeiteten uns langsam vor. Man liess mir unglaublich viel Zeit, meine Begleitung bewies eine Engelsgeduld, während ich mich immer wieder gemeinsam mit ihr verirrte, und wir zurück zum zuletzt bekannten Punkt spazierten.
Schliesslich schien die assoziative Taktik aufzugehen: Es war die Gasse, in der sich die Drogensüchtigen tummelten. Mit einem Mal war es alles wieder da, die schmutzigen Finger, die nach einem griffen, die gelallten Betteltiraden, der Gestank...
Die Rechnung ging auf. Es war genau derselbe Eingang. Wir gingen an den Tischen vorbei, man scharwenzelte um uns herum, überflutete uns mit Reizen. Die Spannung, unter der meine Begleitung stand, war zu spüren: Ich wurde intensiv beobachtet, keine Sekunde durfte ich aus den Augen gelassen werden, und dennoch durften unsere Gastgeber nichts davon mitbekommen. Ich war lange für diesen Moment vorbereitet, gar trainiert worden.
Ich warf aus Versehen eine Schale mit den Süssigkeiten um. Lange, gläserne, bunt gefärbte süsse Giraffen purzelten auf den Boden. Ich fluchte laut, brüskierte die Gäste. Die vermutlich durch Aerosole in der Luft sedierte Stimmung der Freudseligkeit, Eintracht und Gemeinsamkeit war unerwartet durchbrochen. Eine Ausnahmesituation für die Firma, man hätte nicht mit meinem Ausrasten gerechnet - so auch nicht mit Aktivkohlefiltern, die in meinen Nasenlöchern verborgen waren.
Meine Begleitung zog sich dezent zurück, als ich begann, in unbändiger Freude tobend, die Tische umzuwerfen und die hübschen Glaslampen an den mit Samt tapezierten Wänden zu zertrümmern. Es dauerte nur wenige Minuten, bis das Einsatzkommando eintraf.
Es war kein Versehen gewesen. Es war alles genau so abgelaufen wie geplant und ich hatte die volle Kontrolle über meine Gehirn wieder. Mein kontrolliertes Ausrasten, der Willen, das Inventar der Firma zu zerstören und gegen mein möglicherweise zu sehr gewaschenes Gehirn anzukämpfen, war genug des Beweises meiner Loyalität zu meinen Befreiern. Ich war restlos habilitiert. Fast restlos. Denn der Name der Firma ist, abgesehen von einer schemenhaften Vorstellung eines blau leuchtenden Firmenlogos, komplett aus meinem Hirn gelöscht worden.
Hinter dem Burgareal erstreckte sich die Innenstadt. Was einst ein reiches Viertel gewesen sein musste, war nun heruntergekommen, in den dunklen Gassen strichen düstere Gestalten herum, die einem teils Drogen anboten, oder mit verzerrtem Gesicht und einer Spritze in der Hand verängstigte Passanten um einige wenige Euro erpressten - wenn man sie denn ernstnahm. Wir zogen zunächst unbeirrt durch eine der dunklen Gassen, dann aber wurden die Gestalten zunehmend aggressiver, betatschten uns, zahnlose Mäuler reckten sich uns entgegen, es war einfach nur grauenhaft. So waren wir froh, als sich plötzlich ein Kellereingang öffnete und uns eine adrett gekleidete Dame, die Vertrauen zu erwecken schien, winkte und uns Rettung vor dem Pöbel suggerierte.
Nach dem ersten Verschnaufen erreichte uns das Erstaunen: Der nach unten führende Gang war mit einer edlen, schwarzgoldenen Tapete ausgekleidet, es ertönte Musik, wir befanden uns offensichtlich in einem Club. Unzählige gut gekleidete Gäste strichen um uns herum, lachten, genossen Drinks und bunte Süssigkeiten, die auf den im ganzen Raum verteilten Stehtischen angeboten waren.
Nach einigem belanglosen Geplänkel mit unserer Retterin wurde die Unterhaltung etwas familiärer, man fragte interessiert nach unserer Herkunft, und zeigte uns proaktiv, was der Club so zu bieten hatte, inklusiv Prospekte von Wohnungen, Strandferien, Vehikeln... Offensichtlich alles sehr günstig, die schliessliche Frage nach dem Woher, Warum und Wie der Finanzierung blieb uns zunächst unklar, bis wir an einer Theke im hinteren Teil des Raumes angelangt waren.
Unsere nette Begleitung erklärte uns, dass jeder einen kleinen Mitgliederbeitrag entrichte, und sich mit einem Fingerabdruck registrieren lassen müsse. "Wir haben hier ein sehr modernes System", sagte sie, und deutete auf ein kleines schwarzes Gerät mit einem kleinen Glasfenster und einem Griff, der entfernt einem Pistolengriff ähnelte. Anstatt am Abzug lag ihr Finger auf einem kleinen roten Knopf, während Sie uns das Gerät fröhlich lächelnd entgegenhielt. Auf dem Display flimmerte eine geringe Summe, darunter ein kleiner scrollender Werbezug mit der Firmeninschrift.
Was dann geschah, ist der Grund dafür, dass ich mich bis heute nicht an den Firmennamen erinnern kann. Es hatte System.
Als ich meinen Finger auf das gläserne Auge hielt, ging alles blitzschnell:
es wurde schmerzhaft heiss, mein Finger leuchtete rot auf, und ich zog ihn reflexartig weg. Gerade noch nahm ich wahr, dass die Glasscheibe beiseite geschwenkt sein muss, und durch eine metallene Fläche mit der Struktur eines Mikrochips ersetzt worden war. Dann umfasste mich Dunkel, ich nahm nur noch blecherne Wortfetzen war. Unsäglicher Kopfschmerz verbreitete sich, nach wenigen Sekunden verliess mich das Bewusstsein.
Ich blickte in die Augen eines ausdruckslosen Gesichts, als ich wieder zu mir kam. Meine Sinne schienen eingeschränkt zu funktionieren, mein Sichtfeld glich dem eines Pferdes mit Scheuklappen. Der Mann sagte: Du musst nun in deine Wohnung.
Ich begriff, dass ich ihm gehorchen musste. Dass er für mich sorgte und mir Gutes tat, denn er war mein Freund. Ich folgte ihm, entlang einer Wand aus wabernden Vorhängen. Dann gebar mein Gehirn nur noch surreale Fetzen einer Sinnesreise, die Vorhänge wichen blutig getränkten Verbänden, ich schien, durch ein Loch in einer Wand aus Müll zu kriechen. Aus der Wand des Lochs ragten Spritzen und andere medizinische Gerätschaften, sie standen allerdings nach innen, so dass ich ohne Verletzung durch das Loch rutschte. Jegliche Versuche, sich rückwärts zu bewegen, wurden allerdings mit stechenden Schmerzen bestraft. Schliesslich gab mich der gigantische Darm aus Krankenhausabfällen frei. Ich konnte in dem sich vor mir öffnenden Raum gerade sitzen, vor mir ein mit Gitterstäben versehenes Fenster, das den Blick nach draussen freigab, und etwas Licht hereinliess.
Ich hatte keinerlei Erinnerung an irgendwelche Details, oder irgend eine Erklärung dafür, was meine momentane Situation betraf. Ich war auch kaum in der Lage nachzudenken, etwas hemmte meine Denkfähigkeit. Ich erinnerte mich nur noch an Kafkas Käfer, ein Gedanke, an dem ich mich derart festklammerte, dass ich schliesslich davon überzeugt war, ein Käfer zu sein, und mich auch so zu fühlen.
Die Zeit, die in diesem Verlies verstrich, konnte ich nicht messen. Ich habe keinerlei Erinnerung daran, wie ich ernährt wurde, verstand die Vorkommnisse des 'Draussen', das ich durch mein kleines Fenster wahrnehmen konnte, nicht, nur, dass sie sich im Laufe der Zeit änderte. Es hätten Jahre gewesen sein können.
Durch mein kleines Portal zur Aussenwelt zeigte sich mir fortwährend ein Ampelsystem. Automatisierte Fahrzeuge glitten auf vielen Ebenen, teils am Boden, teils an Drähten in der Luft voran, hielten sirrend an, entliessen Läufer. Die Läufer schienen mir insektoide Roboter zu sein, mit facettenartigen Sensoren, langen Gliedmassen. Ob diese Wahrnehmung durch mein geglaubtes Dasein als Käfer bedingt war? Ich weiss es nicht.
Nur, dass ich mich irgendwann freute, ein menschliches Gesicht zu erkennen.
Es waren vier oder fünf Frauen. Sie tauchten vor meinem Fenster auf, als sich das Design des Ampelsystems längst verändert hatte, auch die Läufer waren weniger geworden, wichen menschlichen Wesen.
Sie hätten hübsche Gesichter gehabt, wenn selbige nicht durch unzählige, grosse rötlich-klumpige Pickel verunstaltet gewesen wären. Durch meine vernebelten Sinne war ich gerade noch in der Lage, einfache Fragen zu verstehen, jedoch nicht zu antworten. Ich verstand, dass sie, aufgrund einer eigentlichen Krankheit, die eine gewisse Immunität gegenüber einem (mir unverständlichen) gewissen Sachverhalt bedingte, meine Situation wahrnehmen konnten. Ich begriff, dass dies die Einleitung zu einer Befreiungsaktion war.
So gab mich schliesslich der - vermutlich vor allem mentale - Kerker frei. Der Chip wurde mir entfernt, ich litt unter gelegentlicher Amnesie, jedoch kehrten nach und nach alle Erinnerungen zurück. Bei den nachfolgenden Untersuchungen war ich jedoch nicht sehr hilfreich, ich taugte weder als Zeuge, noch als Ankläger - nicht einmal einen Angeklagten hätte es geben können, der Ort, wie auch der Name des Clubs oder der Firma blieb in einem Erinnerungs-Tresor verrammelt.
Bis zu dem Tag, als es mir jäh im Kopf aufflammte: Die Burg. Die dunkle Gasse. Der Hauseingang. Die Burg war der eigentliche Schlüssel!
Ich informierte den Trupp. Irgendwo in den oberen Reihen der Leitung meiner Befreiungsgruppe wurde ein geheimer Plan ausgearbeitet. Ich durfte davon offensichtlich nichts wissen, da unbekannt war, inwieweit ich zuverlässig 'funktionieren' würde. Da kein Name, kein gar nichts bisher bekannt war, wusste man nicht, mit wem man es zu tun hatte.
Man stellte mir also nur eine Begleitung zur Verfügung. Wir starteten bei der Burg, die inzwischen weiter verfallen war, und arbeiteten uns langsam vor. Man liess mir unglaublich viel Zeit, meine Begleitung bewies eine Engelsgeduld, während ich mich immer wieder gemeinsam mit ihr verirrte, und wir zurück zum zuletzt bekannten Punkt spazierten.
Schliesslich schien die assoziative Taktik aufzugehen: Es war die Gasse, in der sich die Drogensüchtigen tummelten. Mit einem Mal war es alles wieder da, die schmutzigen Finger, die nach einem griffen, die gelallten Betteltiraden, der Gestank...
Die Rechnung ging auf. Es war genau derselbe Eingang. Wir gingen an den Tischen vorbei, man scharwenzelte um uns herum, überflutete uns mit Reizen. Die Spannung, unter der meine Begleitung stand, war zu spüren: Ich wurde intensiv beobachtet, keine Sekunde durfte ich aus den Augen gelassen werden, und dennoch durften unsere Gastgeber nichts davon mitbekommen. Ich war lange für diesen Moment vorbereitet, gar trainiert worden.
Ich warf aus Versehen eine Schale mit den Süssigkeiten um. Lange, gläserne, bunt gefärbte süsse Giraffen purzelten auf den Boden. Ich fluchte laut, brüskierte die Gäste. Die vermutlich durch Aerosole in der Luft sedierte Stimmung der Freudseligkeit, Eintracht und Gemeinsamkeit war unerwartet durchbrochen. Eine Ausnahmesituation für die Firma, man hätte nicht mit meinem Ausrasten gerechnet - so auch nicht mit Aktivkohlefiltern, die in meinen Nasenlöchern verborgen waren.
Meine Begleitung zog sich dezent zurück, als ich begann, in unbändiger Freude tobend, die Tische umzuwerfen und die hübschen Glaslampen an den mit Samt tapezierten Wänden zu zertrümmern. Es dauerte nur wenige Minuten, bis das Einsatzkommando eintraf.
Es war kein Versehen gewesen. Es war alles genau so abgelaufen wie geplant und ich hatte die volle Kontrolle über meine Gehirn wieder. Mein kontrolliertes Ausrasten, der Willen, das Inventar der Firma zu zerstören und gegen mein möglicherweise zu sehr gewaschenes Gehirn anzukämpfen, war genug des Beweises meiner Loyalität zu meinen Befreiern. Ich war restlos habilitiert. Fast restlos. Denn der Name der Firma ist, abgesehen von einer schemenhaften Vorstellung eines blau leuchtenden Firmenlogos, komplett aus meinem Hirn gelöscht worden.
goekel - 18. Apr, 17:03